Am Donnerstag fand im Rahmen eines Online Meetings eine öffentliche Beratung bzw. ein Meinungsaustausch des Gemeinderats und unserer Bürgerinitiative zum Thema mittelfristige Haushaltsplanung und Investitionsbedürfnisse statt. Neben der BI haben sich ungefähr 40-45 weitere BürgerInnen aus Horben zugeschaltet. Hintergrund der Beratungen ist, dass laut Haushaltsplan 2021 die Einnahmen der Gemeinde Horben laut Verwaltung nicht ausreichend seien, um die Ausgaben der Gemeinde zu decken. Über allem stand, dass das Baugebiet Langackern 2 die einzige vielversprechende Lösung sei, alle gewünschten Investitionen zu ermöglichen und den Haushalt der Gemeinde zu sanieren.
Auf Vorschlag von BM Dr. Bröcker wurde zunächst die von der Verwaltung aufgestellte Investitionsliste (s. ganz unten) diskutiert. Anhand dieser Liste ist für uns kein Investitionsstau erkennbar. Naturgemäß wurde die Dringlichkeit einzelner Maßnahmen innerhalb des Gemeinderats aber auch durch die BI unterschiedlich bewertet. Leider wurde über das Zustandekommen der „Liste des Investitionsbedarfs“ von Verwaltungsseite nichts gesagt. Diese wirkt wie eine Mischung von offensichtlich Notwendigem und einer Ansammlung von Wünschen und Bedürfnissen. Eine politische Gewichtung ist nicht erkennbar. Einzelne dieser Maßnahmen sind bereits beschlossen und in den Haushaltsplan 2021 aufgenommen, bei den meisten besteht kein akuter Handlungsbedarf und es ist noch nicht klar, ob, wann, in welcher Dimension investiert werden soll.
Die mittelfristige Haushaltssituation wurde von Verwaltungsseite als besorgniserregend dargestellt. Es wurde aber in der Diskussion klar, dass die Verwaltung ihre Ansicht auf den von ihr selbst erstellten Haushalts-Plan 2021 begründet, der aufgrund der Corona-Situation und der Umstellung auf das NKHR (Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen) sehr pessimistisch ausgefallen ist.
Noch nicht fertig gestellt ist die Eröffnungsbilanz, die im NKHR als Grundlage des Haushaltsplans vorliegen müsste und die das kommunale Vermögen sowie die Schulden erfasst und bewertet.
Wie sich für 2020 und 2021 die Einnahmen entwickeln und wie sich die Corona-Hilfsmaßnahmen von Bund und Land im Haushalt niederschlagen, ist noch nicht abzusehen, aber im Haushaltsplan sind sie gar nicht berücksichtigt.
Dass der Haushaltsplan diskussionswürdig ist, zeigten auch Berechnungen von Herrn Blattmann aus unseren Reihen. Als Rechtsanwalt in einer Steuerkanzlei und ehemaliger stellvertretener Bürgermeister hat dieser eine hohe Kompetenz in Haushaltsfragen und zudem Einblick in die aktuelle corona-bedingte Praxis der Steuerzahlungen. Er hat darauf hingewiesen, dass viele Firmen ihre Steuervorauszahlungen für das Jahr 2020 auf null gesetzt haben und in der Folge für deutlich bessere Erträge im Jahr 2020 in den Folgejahren entsprechend höhere Zahlungen leisten müssten.
Zudem stellte sich die Frage, ob es in Horben überhaupt gewerbesteuerpflichtige Betriebe gäbe, die mehrheitlich unter corona-bedingten Mindereinnahmen zu leiden hätten.
Zudem hat er darauf hingewiesen, dass vom Gesundheitsresort Luisenhöhe schon bald nach dessen Eröffnung im kommenden Jahr nicht unbeträchtliche Einnahmen durch Grund- und Gewerbesteuer fließen werden, unabhängig davon, ob dort von Beginn an Gewinne anfallen.
Auch die von ihm prognostizierten Einnahmen im unteren sechsstelligen Bereich allein durch die Luisenhöhe waren in den mittelfristigen Haushaltsplan nicht eingeflossen.
Die Verwaltung sieht hier akuten Handlungsbedarf aufgrund eines von ihr erstellten Haushaltsplans, der ein düsteres Zukunftsbild entwirft.
Gleichzeitig wurde in der Diskussion ganz klar festgestellt, dass die Gemeinde schuldenfrei ist und mit ihrer Rücklage von ca. 500.000 Euro bis 2024 kein Liquiditätsproblem haben wird. Die Notwendigkeit baldiger größerer Finanzzuflüsse durch ein Baugebiet konnte nicht festgestellt werden.
Ein Ergebnis des Abends war also ganz sicher, dass die Horbener Zahlen viel besser sind, als das nach außen vermittelt wird. Im Vergleich zu den Nachbar-gemeinden sind wir solide aufgestellt und sollten nach überstandener Coronakrise auch auf weiterhin positive Rechnungsergebnisse hoffen dürfen.
Das NKHR zwingt alle Gemeinden zum nachhaltigen Wirtschaften. Die im NKHR neu in den Haushalt aufgenommenen Abschreibungen verschlechtern aber natürlich generell das Haushaltsergebnis massiv.
Wenn wir aber weiterhin seriös wirtschaften, drohen weder der Verlust der Eigenständigkeit, noch das Eingreifen der Kommunalaufsicht. Eine Gemeinde müsste sich schon einiges an Missmanagement leisten, um von dieser Seite Konsequenzen zu erwarten.
Wir müssen also ordentlich mit unseren Mitteln wirtschaften und müssen es klar benennen, wenn dann ein rechnerisches Defizit durch eine Vermehrung von oben weitergereichter Pflichtaufgaben (Bsp. Ganztagesanspruch Grundschule ab 2025) zustande kommt, denen nicht die entsprechenden Finanzierungsmittel mitgegeben werden. Da dies aber Probleme sind, die alle Gemeinden betreffen, muss auch an der Lösung dieser Probleme von höherer Stelle gearbeitet werden.
Die Ausweisung von Baugebieten ist sicher der falsche Ansatz, um solchen strukturellen Schieflagen zu begegnen.
Herr Blattmann gab außerdem zu bedenken, dass eine Gemeinde nicht nur nach wirtschaftlichen Kriterien geführt werden dürfe, da Aspekte wie z.B. das Orts- und Landschaftsbild, nicht monetär zu bewerten seien.
Wir sind der Meinung, dass laufende Aufwendungen durch einmalige Erträge aus dem Verkauf eines Grundstücks nicht gedeckt werden können. Zwar fließt kurzfristig viel Geld, langfristig entstehen aber weit höhere Folgekosten - die auch dann noch zu bezahlen sind, wenn das eingenommene Geld längst verbraucht ist. Auf Basis von Modellberechnungen verschiedener Kommunen entstehen beim sog. Szenario "Nullwachstum" , d.h. beim sparsamen Umgang mit Flächen, langfristig am wenigsten Kosten für den Haushalt einer Kommune (s. Diplomarbeit von J. Hummel 2009 [1]). Somit würde das grundsätzliche Problem der Haushaltssanierung nur nach hinten verschoben und auf andere Generationen abgewälzt werden.
Es steht außer Frage, dass entweder langfristig die Einnahmen gesteigert oder die Ausgaben gesenkt werden müssen, um den Haushalt nachhaltig zu konsolidieren.
Daher ist es sinnvoll, dass Posten für Posten des Haushaltsplanes gründlich von den Gemeinderäten gegebenenfalls auch zusammen mit Vertretern der BI geprüft werden, um etwaige Einsparmöglichkeiten zu identifizieren.
Solch eine mühevolle Arbeit kann sicherlich nicht im Rahmen eines Online Meetings mit einer hohen Teilnehmerzahl erfolgen, sondern wird in Kleingruppen stattfinden müssen.
Gemäß dem neuen Haushalts- und Rechnungswesen sind nun viele Gemeinden defizitär. Zudem hat die Corona-Pandemie viele Gemeinden in finanzielle Not gebracht. Sowohl die Defizite durch die Pandemie (nach den Finanzhilfen des Bundes), als auch die Defizite aufgrund des neuen Rechnungswesens lassen sich derzeit noch nicht beziffern. So ist z.B. abzusehen, dass der politische Druck der Gemeinden zu einer sanfteren Umsetzung des neuen Rechnungswesens führen könnte. In dieser unsicheren Zeit erachtet es die BI daher für sinnvoll, große Investitionen zunächst einmal zurückzustellen um „auf Sicht“ zu fahren.
Einzelne dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen, wie z.B. eine Dachreparatur im Kindergarten aufgrund von Wassereintritt, müssen ohne Frage durchgeführt werden.
Momentan ist Horben aber unserer Meinung nach nicht in der Position, große Investitions- oder Sanierungsposten einzuplanen.
Bevor solche getätigt werden, muss in Zusammenarbeit mit der interessierten Bevölkerung ein Leitbild entwickelt werden, wo die Gemeinde ihre Zukunft sieht.
Dazu gehört nicht nur die Ausarbeitung von gemeinsamen Zielen -Wo wollen wir hin?- sondern auch die Frage, was die Bevölkerung bereit ist zu opfern, um diese Ziele zu erreichen.
Das Erarbeiten eines Dorfentwicklungsplans, in dem ein Leitbild definiert wird, dem sich Investitionsvorhaben werden unterwerfen müssen, sollte der nächste und wichtigste Schritt sein, der auf kommunaler Ebene angegangen werden muss.
Dieser Plan soll unter Beteiligung aller interessierten HorbenerInnen entstehen und eine Agenda für die Dorfpolitik der nächsten 10 bis 20 Jahre darstellen.
Im Zuge der Unterschriftensammlung haben wir Gespräche mit vielen Bürgern geführt.
Wir glauben, dass ein Wachstum der Bevölkerungszahlen und Wohnflächen nicht dem Wunsch einer Mehrheit der HorbenerInnen entspricht.
Wir sind nur einer Hand voll Unterstützer eines solchen Flächenfraßes begegnet, dafür aber noch vielen, die ihre Unterschrift nicht unter unseren Aufruf setzen wollten, obwohl sie ihn inhaltlich voll unterstützen.
Somit stellen selbst die inzwischen mehr als 350 Unterschriften, die sich gegen das Baugebiet und für den Landschaftsschutz ausgesprochen haben, noch gar nicht den tatsächlichen Grad an Ablehnung in der Bevölkerung unseres Ortes dar.
Ein Gemeindeentwicklungskonzept soll die mehrheitliche Meinung der Bevölkerung zu allen Fragen der Dorfentwicklung in einem tragfähigen Handlungskonzept festschreiben.
Für dieses Konzept scheint es im Horbener Gemeinderat Mehrheiten zu geben.
Ob damit auch schon eine Mehrheit feststeht gegen einen politischen Schnellschuss, wie es das Baugebiet Langackern II darstellt, wird sich in den nächsten Gesprächen herauskristallisieren.
Referenzen:
[1] https://opus-hslb.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/81/file/Hummel_Joerg.pdf
Kommentar zur Info der BI zu Öffentlichen Haushaltsberatungen
der Gemeinde Horben vom 28.01.2021
- aus Sicht der BI -
Danke der BI für diese umfassende und sachliche Information über die öffentliche Haushalts- beratung über das Internet.
Danke auch dafür, dass die BI ruhig, sachlich und argumentativ sehr stark ihre Sichtweisen in die Debatte eingebracht hat. – Dieser Stil ist Weg-weisend, sowohl für Diskussionen im Gemeinderat, als auch im Umgang mit einer Bi, bzw. der Bürgerschaft. Weiter so!
Es zeigt sich, dass die gesamte Problematik der Gemeinde – sowohl im Hier und Heute als vor allem auch im Morgen zukunftsfähig zu gestalten, viel umfassender sowie tiefgründiger ist, als dies der Bürgerschaft und offensichtlich selbst der Verwaltung und dem Gemeinderat bewusst ist.
Die Gemeinde Horben, steht aufgrund solider Finanz- und Haushaltspolitik – im Vergleich zu den meisten anderen Gemeinden im Landkreis – sehr gut da. Ruhe und Gelassenheit die Zukunft zu gestalten, ist somit also allemal gegeben.
M.E. hilft hier im Grunde nach nur, umgehend eine moderierte Erstellung eines Gemeinde-entwicklungskonzepts in Angriff zu nehmen. – Eine gute Grundlage für einen Startschuss ist die Veröffentlichung der Eröffnungsbilanz nach dem neuen nach dem NKHR (Neues aushaltsH H Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen).
Ich freue mich auf die nächste öffentliche Online-Diskussionsrunde.
Gut wäre es, wenn auch die Presse darüber informiert wird, damit über diese auch alle nicht „Internet-affinen“ Bürgerinnen und Bürger informiert werden können.
Horst Schulte