SIEHE AUSFÜRHLICHE DARSTELLUNG DER DISKUSSIONSRUNDE Teil 2
https://langackern2.wixsite.com/horben/post/teil-2-diskussionsrunde-der-gr-sitzung-zur-fiskalischen-wirkungsanalyse-13-04-2021-aus-der-sicht
Information der Bürgerinitiative Landschaftsschutz Langackern 2 – Horben
zur Gemeinderatssitzung vom 13.4.2021
TOP: „Darstellung der fiskalischen Auswirkungen des geplanten Baugebiets Langackern2“
Referentin: Frau Prof. Andrea Herre HOCHSCHULE KEHL - Fakultät II Wirtschafts-, Informations- und Sozialwissenschaften
Liebe Mitbürger, liebe Mitbürgerinnen,
gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 15.Dez. 2020 liegen die Planungen zum Baugebiet Langackern 2 zurzeit auf Eis, Mitte/ Ende des 2. Quartals 2021 sollte ein Grundsatzbeschluss über die Notwendigkeit und Weiterplanung von „Langackern 2“ gefällt werden. Bis dahin sind die Argumente auf dem Prüfstand (Details zum bisherigen Ablauf finden Sie auf unserem Blog https://langackern2.wixsite.com/horben ). Als Hauptargument für Langackern 2 werden der „innere Bedarf“ und die defizitäre Haushaltslage der Gemeinde angeführt.
Bereits für Dez. 2020 war eine Bürgerinformationsveranstaltung angekündigt worden: das Büro Sutter3 GmbH & Co. KG hätte die Ergebnisse seiner Wirtschaftlichkeitsprüfung zu Langackern 2 vorstellen sollen. Diese Veranstaltung wurde erst verschoben, dann stellte sich auf Nachfrage heraus, dass die Zusammenarbeit dem Büro Sutter zwischenzeitlich eingestellt worden ist und die Ergebnisse nicht mehr vorgestellt werden, da sie laut Dr. Bröcker von minderer Qualität seien. Das alles bei Beraterkosten von 16.000 €.
Stattdessen legte Frau Prof. Herre von der Verwaltungshochschule Kehl in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 13.4.2021 die fiskalischen Auswirkungen des geplanten Baugebiets Langackern 2 dar. Den Vortrag von Frau Prof. Herre können Sie auf der Homepage der Gemeinde Horben abrufen:
Dort sind kommentarlos die 23 Folien des Vortrags ohne jedwede Erläuterung ins Netz gestellt. Aus unserer Sicht gibt es allerdings einen erheblichen Erklärungsbedarf, den wir Ihnen gerne darlegen möchten.
Die Folien von Frau Prof. Herre sind durchweg mit dem LOGO der Hochschule Kehl versehen. Dementsprechend nehmen wir an, dass anerkannte Regeln wissenschaftlichen Arbeitens einzuhalten sind. Dazu zählt das Zugänglich machen der Datengrundlage, sowie die Darstellung der Methodik auf Nachfrage.
In der Gemeinderatssitzung selbst wurden - trotz Nachfrage - weder die genauen Berechnungsgrundlagen noch die Berechnungswege nachvollziehbar offengelegt. Frau Prof. Herre hat nur allgemein auf den Haushaltsplan 2021 verwiesen. Im Verlauf des Vortrags zeigte sich, dass Frau Prof. Herre zwar einzelne Zahlen daraus übernommen hat, aber auch, dass ihr wichtige Informationen zur Finanzsituation Horbens, die im Haushaltsplan klar gegeben sind, gänzlich unbekannt waren (z.B. wusste sie nicht, dass die Gemeinde Horben schuldenfrei ist und das Hotel-Großprojekt Luisenhöhe war ihr unbekannt).
Auch auf unsere Email-Anfrage nach der Datengrundlage und ihren Berechnungswegen im Nachgang zur Präsentation mochten weder Frau Prof. Herre noch Dr. Bröcker Quellennachweise bzw. nähere Angaben zu den Berechnungen preisgeben. Als Begründung verwiesen beide auf das Urheberrecht von Prof. Herre und darauf, dass ihre Präsentation ausschließlich zur Information des Gemeinderates gedacht war.
Weil also die Folien weder mit dem Redebeitrag noch mit sachlichen Erläuterungen ins Netz gestellt wurden, möchte die BI hiermit allen interessierten BürgerInnen ihre Wahrnehmungen und Sichtweise zu dieser Präsentation darlegen.
2. Präsentation zu den fiskalischen Auswirkungen des geplanten Baugebiets Langackern 2
Zur Darlegung der inhaltlich fragwürdigen Aussagen innerhalb der Präsentation müssen wir uns später leider auch mit einigen Details befassen.
2.1 Einleitung
Beginnen möchten wir zunächst mit dem allgemeinen Teil, in dem Fr. Prof. Herre das übergeordnete Ziel kommunalen Wirtschaftens beschreibt. Das sind Versorgungsqualität - Lebensqualität - Vergangenheit – Zukunft (Folie 4). Folie 5 bezieht sich auf die Nachhaltige Daseinsvorsorge sowie das Neue Kommunale Haushaltsrecht (NKHR). Es sollen bleibende Werte geschaffen und erhalten werden, die gefühlte Lebensqualität in der Gemeinde gesichert werden und hierfür zielorientiert die richtigen Weichen gestellt werden. Soweit sind wir vollumfänglich einverstanden, jedoch schließen wir daraus, dass:
Die Offenlegung der Eröffnungsbilanz nach dem NKHR endlich vorgenommen werden muss (vorgegebener Termin war der 1.1.2020)
Ein Dorfentwicklungskonzept unter Beteiligung der Bürgerschaft auf den Weg gebracht werden muss.
Im weiteren Verlauf der Präsentation wurden erste Zahlen vorgelegt, indem die Einnahmeentwicklung ohne Baugebiet prognostiziert wurde, wie untenstehend dargestellt.
Leider wurde uns bis heute trotz Nachfrage nicht mitgeteilt, auf Basis welcher Berechnungen und Daten die Prognose für 2022-2024 ermittelt wurde. Feststellen können wir nur, dass z.B. die ab Mitte 2022 zu erwartenden Mehreinnahmen aufgrund der Eröffnung des Gesundheitsresorts Luisenhöhe augenscheinlich nicht berücksichtigt sind. Auf den Bau der Luisenhöhe wurde die Referentin erst durch Fragesteller aus dem Gemeinderat aufmerksam gemacht. Eine Prüfung der Datengrundlage erscheint nicht zuletzt deshalb ratsam.
2.2 Varianten der Bebauung
Nach der Darstellung ohne Baugebiet werden auf Folie 8-10 drei Varianten einer möglichen Bebauung dargestellt:
Freistehende Doppelhäuser 24 Wohneinheiten, 48 Kinder, 48 Erwachsene
Freistehende Doppelhäuser und Geschosswohnungsbau (Seniorenwohnstift) 12 Wohneinheiten, 24 Kinder, 24 Erwachsene
Freistehende Doppelhäuser 8 Wohneinheiten, 16 Kinder, 16 Erwachsene
Jede dieser drei Varianten warf bei uns viele Fragen auf:
Variante 1: 24 Freistehende Doppelhäuser:
In dieser Variante ist kein „sozialer Wohnungsbau“ vorgesehen. Die Grundstücke müssten also weit unter Wert verkauft werden, um durchschnittlich wohlhabenden HorbenerInnen die Bebauung zu ermöglichen. Da das Baugebiet maßgeblich durch die Sanierung des Haushaltes motiviert ist, erscheint uns ein Baugebiet für HorbenerInnen in dieser Variante als wenig plausibel.
Variante 2: 12 Freistehende Doppelhäuser und Geschosswohnungsbau (Wohnstift):
Diese Variante erscheint uns wenig durchdacht. Ein Wohnstift, zumindest für Senioren, ist in Hanglage eher ungünstig. Zudem wurden für die drei Geschossbauten weder Bewohner noch Grundsteuer kalkuliert. Die soziale Komponente und die vergessenen Bewohner des Stiftes legen uns nahe, dass diese Variante primär den Rückhalt aus der Bevölkerung für das Baugebiet schaffen soll, eine Realisierung aber gar nicht vorgesehen ist.
Variante 3: 8 Freistehende Doppelhäuser:
In dieser Variante wäre die Bebauung weniger dicht als in den anderen Varianten und der fiskalische Nutzen für Horben noch ungewisser. Als Bürgerinitiative für Landschaftsschutz setzten wir uns ganz klar für den Erhalt des Biotops und der Kulturlandschaft ein.
Wir glauben, dass Horben sich mit dem Erhalt der Natur seine Werte und die Lebensqualität erhält. Die fiskalischen Vorteile sind aus unserer Sicht hingegen weit weniger eindeutig.
Sollte tatsächlich bevorzugt innerer Bedarf befriedigt werden, so wäre aufgrund desgemeindeinternen Umzuges nicht automatisch mit Nachzug in gleicher Größenordnung zurechnen. Etwaige fiskalische Vorteile durch Bevölkerungswachstum könnten daher zumindest geringer ausfallen. Davon abgesehen sind nach unserem Kenntnisstand 4 Personen pro Haus (2Erwachsene, 2 Kinder), wie in der angenommenen Modellfamilie, zumindest im Baugebiet Heubuck, nicht die Regel. Auch bei den Schlüsselzuweisungen, die u.a. nach dem Einkommen der Neubürger berechnet werden, tritt ein Zielkonflikt zwischen Haushaltssanierung und der Schaffung von Wohnraum für HorbenerInnen zu Tage.
Dieser Konflikt zeigt sich auch in der Tatsache, dass wenn man das Allgemeinwohl der BürgerInnen nach den Zielen der Haushaltssanierung bemessen würde, die Veräußerung der Flächen unter Wert nicht folgerichtig wäre.
2.3 Fiskalische Auswirkungen
In der Präsentation wurde die Entwicklung bei Einkommens- und Umsatzsteueranteile, sowie der Schlüsselzuweisungen (netto) für die drei Varianten der Bebauung mit Balkendiagrammen veranschaulicht (Folie 11-14). Auf den Folien 17-20 wurden die Diagramme um Tabellen und das Szenario ohne Bebauung ergänzt. Darunter findet sich auch die prognostizierte Förderung der Kita (Folie 15 und 21).
Erstaunlicherweise entspricht die Förderung bei Variante 1 (24 Freistehende Doppelhäuser) mit 95.000 € in etwa einer Verdopplung des bisherigen Förderbetrages. Die Kita betreut derzeit zwei Gruppen. Für die Unterhaltung einer zusätzlichen Gruppe setzt Frau Prof. Herre pauschal 100.000 € an. Wo diese zusätzliche Gruppe untergebracht wäre, bleibt ungeklärt. Dass immer einige Kleinstkinder in Nachbargemeinden untergebracht werden und dass dafür interkommunaler Kostenausgleich anfällt (momentan ca.35.000 €/Jahr), bleibt unberücksichtigt. Auch sind die Berechnung von Frau Prof. Herre nur plausibel, wenn 48 neu zugezogene Kinder gleichzeitig im Kindergarten- oder Grundschulalter wären.
2.4 Zusammenfassung der Fiskalische Auswirkungen
Wir haben die Zahlen von Prof. Herre summiert und sind zu dem folgenden Ergebnis gekommen:
Gemäß Frau Prof. Herre ergeben sich jährliche Mehr-Einnahmen von:
Freistehende Doppelhäuser, 24 Wohneinheiten, 48 Kinder, 48 Erwachsene: 197.240 -216.502 €
Freistehende Doppelhäuser und Geschosswohnungsbau (Seniorenwohnstift), 12 Wohneinheiten, 24 Kinder, 24 Erwachsene: 98.620 - 115.901 €
Freistehende Doppelhäuser, 8 Wohneinheiten, 16 Kinder, 16 Erwachsene: 65.747 - 82.368 €
Gemäß Frau Prof. Herre ergeben sich jährliche Mehr-Ausgaben von:
Straßenunterhalt für Langackern 2: 1.875 €
Kita (eine weitere Gruppe): 100.000 €
Wir bezweifeln stark, dass die angegebenen Folgekosten realistisch benannt sind. Kleinere Positionen, wie z.B. die Verwaltungsmehrkosten, wurden gar nicht berücksichtigt. Die zusätzlichem Allgemeinkosten durch mehr Einwohner können unserer Auffassung nach nicht nur auf den Straßenunterhalt und die Kita reduziert werden.
Zum Abschluss des Vortrags werden auf Folie 23 die Kernaussagen zusammengefasst. Wir erlauben uns diese Kernaussagen in Punkten aufzulisten und zu kommentieren:
Erzielung von außerordentlichen Erträgen durch die Veräußerung der Grundstücke und Vermögenszuwachs durch die Veräußerungserlöse
Die Veräußerung des ursprünglich als landwirtschaftliche Tauschfläche gedachten Landschaftsschutzgebietes als Bauland würde der Gemeinde zweifelsfrei beträchtliche außerordentliche Erträge bringen. Eine nachhaltige Konsolidierung des Haushaltes wird damit aber nicht erzielt. Die Folgegeneration wird, wie von Herrn Dr. Bröcker in einer früheren Gemeinderatssitzung dargelegt, weder ein Baugebiet zur Veräußerung haben, noch die besondere Lebensqualität in Horben durch die intakte Landschaft in gleichem Maße genießen.
Liquiditätszuwachs für Investitionen
Investitionen sind grundsätzlich nötig. Durch Investitionen wird die Zukunft gestaltet. Nach unserer Auffassung täte Horben gut daran, aktiv zu entscheiden, wie die Zukunft gestaltet werden soll. Deshalb unterstützt die Bürgerinitiative die Idee eines Gemeindeentwicklungsplanes.
Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass ein weiteres Baugebiet neue Investitionen nach sich ziehen könnte, welche dann auch langfristig unterhalten werden müssten.
Zukunftsfähigkeit durch ausgewogene Altersstruktur
Horben hat nach unserer Kenntnis eine weitgehend ausgewogene Altersstruktur und es zeichnet sich keine demographisch beunruhigende Entwicklung ab.
Nachhaltige Verbesserung der Haushaltsstruktur
Die prognostizierte regelmäßige Entlastung des Gemeindehaushalts wird auf maximal ca. 115.000 €geschätzt (bei Vollbebauung mit 24 Wohneinheiten und 96 Personen). Stellt das eine Verbesserung der Haushaltsstruktur dar, welche die Bebauung von Langackern 2 rechtfertigt?
Nach der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Frau Prof. Herre sind wir keineswegs von der Alternativlosigkeit und der Dringlichkeit1 von Langackern 2 überzeugt.
Wir fordern:
Eine realistische Bewertung des Ist-Zustandes auf Basis der überfälligen Eröffnungsbilanz
Eine realistische Bewertung des „inneren Bedarfs“ und eine Prüfung der Möglichkeiten für eine maßvolle Nachverdichtung
Eine gemeinsame, bürgerbeteiligte Bestimmung der Ziele sowie eines Leitbilds für Horbens Zukunft
Wir hoffen darauf, dass die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Bürgerbeteiligung“ in der Horbener Kommunalpolitik nicht nur inhaltsleere Worthülsen sind!
Trefflich berichtet in der BZ vom 15. April 2021:
- Ist ein neues Baugebiet die einzige Lösung für Horbens Finanzprobleme? -
https://www.badische-zeitung.de/ist-ein-neues-baugebiet-die-einzige-loesung-fuer-horbens-finanzprobleme
Ihre Bürgerinitiative Landschaftsschutz Langackern 2
V.i.S.d.P.: Andreas Schmauder, Bohrerstr. 7, 79289 Horben
PS: Der vielleicht interessanteste Teil des Abends war die Fragerunde im Anschluss an die rund halbstündige Präsentation von Frau Prof. Herre. Darüber berichten wir auf unserer Webseite (Teil 2), gerne können Sie auch im Forum ihre Meinung teilen, uns kontaktieren und unterstützen. Unseren kompletten Bericht finden Sie unter:
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